Wahrsagerinnen beim Trekking
Mit Wahrsagerinnen kommt man beim Trekking in Tibet leichter in Berührung als hierzulande. Bei uns trifft man solche Damen als Hellseherinnen und Kartenlegerinnen im Internet an oder geht auf einem Volksfest in ihren Wagen. Obwohl viele Menschen über einen lachen, wenn man zu einer Wahrsagerin geht, lesen die meisten ihre Horoskope. In Wahrheit möchte jeder wissen, was für ihn in den Sternen steht.
Orakelzauber am Feuer
Wer einmal nach stundenlanger Fußwanderung ein Bergdorf erreicht hat, weiß, dass man nur nach Essen, Trinken und einem weichen Bett strebt. Man sehnt sich eine Dusche herbei, damit man die verschwitzten Socken ausziehen und frische Unterwäsche anziehen kann. Doch wenn man dann in dem Haus, in dem man untergekommen ist, ein Wahrsageritual mitbekommt, kann einem auch aus anderen Gründen der Schweiß ausbrechen. Da es in dem Bergdorf keine andere Unterbringungsmöglichkeit gab, nächtigte ich bei der Familie Tseten. Anscheinend gab es hier nur drei ältliche Schwestern, die mich zahnlos anlächelten und mir eine tibetische Nudelsuppe und Buttertee anboten. Beides war erstaunlich gut. Doch später am Abend kamen einige Menschen aus dem Dorf und die Damen entpuppten sich als Wahrsagerinnen. Sie hantierten mit merkwürdigen Gegenständen, sagten magische Formeln auf und die ganze Hütte war voll Rauch aus aromatischen Kräutern. Das Gemurmel begleitete mich in einen erschöpften Schlaf. Doch mitten in der Nacht erwachte ich, als eine der drei sich über mich beugte. Ihr Gesicht war eine fürchterliche Fratze und sie zeigte mit ihrem schmutzigen Finger auf mich. Ich verstand zu wenig tibetisch, um zu verstehen, was sie dabei murmelte. Aber mir brach der Schweiß aus allen Poren. Vielleicht verfluchte sie mich gerade. Ich tat so, als schlief ich, denn ich konnte mich vor Angst kaum bewegen. Nur eins war mir klar: Ich würde auf keinen Fall länger als unvermeidbar mit diesen drei Wahrsagerinnen zusammen bleiben. Meine Flucht stand fest. Sobald der Tag graute, würde ich die Beine in die Hand nehmen.
Alles klärt sich auf
Beim ersten Tageslicht packte ich leise meinen Rucksack, zog die noch leicht feuchten Wanderschuhe an und machte, dass ich wegkam. Das laute Schnarchen sagte mir, dass alle Wahrsagerinnen schliefen. Mir brach der Schweiß aus, als ich leise über sie hinweg stieg und zum Hütteneingang strebte. Als ich Tage später mit einem Trekkingkollegen über mein Erlebnis sprach, lachte der. „Ani Tseten hat wahrscheinlich nur die bösen Geister vertreiben wollen, die sie um Dein Haupt schwirren sah“, sagte er.